Von vielen Unis wird eine übliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht akzeptiert, um Studenten von den Prüfungen zu befreien. Zum Teil werden sehr persönliche Details gefordert, wodurch sich Studenten in ihrer Privatsphäre verletzt fühlen. Ein Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen erzählt von einer Studentin, die neben Prüfungsstress noch mit privaten Problemen zu kämpfen hatte. Die dadurch verursachten psychischen Belastungen veranlassten die Studentin dazu, sich krankschreiben zu lassen und zu Hause zu bleiben. Was folgte, war ein unerwarteter Anruf des Prüfungsamtes, da auf dem Krankenschein die Symptome fehlten, was nicht ausreichend sei und die Prüfung deshalb als nicht bestanden gelte. Um das weitere Studium nicht zu gefährden, ließ sich die Studentin ein Attest ihres Psychiaters ausstellen. Eine zusätzliche Belastung in einer ohnehin schwierigen Situation, denn plötzlich fühlte sie sich wie gläsern mit ihren privaten Problemen.
Diese Geschichte ist kein Einzelfall. Vielen anderen Studenten erging es an ihren Unis ebenfalls so oder ähnlich. Neben der Krankschreibung wurden Angaben zu Symptomen und der daraus resultierenden Leistungsminderung verlangt. Die Universitäten begründen diese Umstände damit, dass anhand der normalen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Prüfungsfähigkeit nicht zu beurteilen sei.
Die Idee dahinter soll die Bewahrung der Chancengleichheit sein: Keiner soll länger lernen dürfen und sich damit einen Vorteil verschaffen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Ansicht einen so tiefen Einblick in die Privatsphäre rechtfertigt. Nach Meinung der Studenten nicht, denn oft gibt es gute Gründe, dass man die Details seiner Krankengeschichte nicht öffentlich machen will. Viele Universitäten bleiben jedoch konsequent und vertreten die Devise: Wer auf die Geheimhaltung schwört, fällt eben durch. Bei den Studenten stößt dies auf Empörung, weil kein Sinn dahinter zu sehen sei. Wenn man einem Dozenten private Probleme offenbart, dann nicht weil man muss, sondern weil man ihm vertraut. Im Arbeitsrecht gibt es in solchen Fällen klare Regelungen. Der Unterschied liegt jedoch bei der Zuständigkeit: Arbeitsrecht gehört zum Bund, während Bildung Landesrecht ist. In den meisten Hochschulgesetzen ist aber nicht festgehalten, wie genau die Abmeldung von einer Prüfung aussehen soll. Deshalb macht es jede Uni anders. Viele Studenten sehen aber noch ein anderes Problem, denn wer garantiert, dass sensible Daten nicht in falsche Hände geraten? Psychische Leiden oder Übelkeit in der Schwangerschaft gehen niemanden etwas an bei der Beurteilung der akademischen Reife. Am Ende heißt es noch: Ach, das war die/der mit den Psychiater-Attesten. Und schon sei man abgestempelt und habe vielleicht sogar Nachteile, wenn es um die Betreuung von Abschlussarbeiten oder die eigene Karriere geht. Studenten wünschen sich vor allem mehr Vertrauen. Betroffene fühlen sich als Simulanten hingestellt und von alten Vorurteilen belastet, dass Studenten nur Party machen und so ihren Abschluss verschleppen. Weiterhin wird bemängelt, dass es an anderen Hochschulen wesentlich unkomplizierter läuft. Die Uni Leipzig beispielsweise verlangt nur in Zweifelsfällen ein amtsärztliches Attest. In Kiel reicht immerhin die Unterschrift des Arztes, dass prüfungsrelevante Symptome vorliegen. Ein privatärztliches Attest genügt also grundsätzlich als Nachweis der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit, womit Datenvermeidung und prüfungsrechtliche Gleichbehandlung in eine Balance gebracht wären.